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Putins Armee von innen zerstören Krim-Partisanen lassen "das Trojanische Pferd" los

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Die "Atesch"-Partisanen rufen die mobilisierten Russen dazu auf, sich an Sabotageaktionen zu beteiligen.

Die "Atesch"-Partisanen rufen die mobilisierten Russen dazu auf, sich an Sabotageaktionen zu beteiligen.

(Foto: Telegram/atesh_ua)

Auf der Krim formiert sich Widerstand gegen die Besatzermacht Russland. Die Guerilla-Gruppe "Atesch" verübt eigenen Angaben zufolge zahlreiche Anschläge auf russische Soldaten und Politiker in den besetzten Gebieten der Ukraine. Die Bewegung wächst - und freut sich schon auf die nächste Mobilmachung in Russland.

Am vergangenen Wochenende knallt es im Ort Oleschky im Süden der Ukraine. Ein Kontrollpunkt der russischen Armee soll in die Luft gesprengt worden sein. Die Kleinstadt ist seit den ersten Kriegstagen von den Russen besetzt, sie liegt am Ufer des Dnipro, direkt gegenüber von Cherson, das im November vergangenen Jahres befreit wurde. Doch nicht die ukrainische Armee soll hinter dem Angriff auf den russischen Kontrollpunkt stehen. Eine Partisanen-Gruppe aus der rund 90 Kilometer entfernten Krim reklamiert die Attacke für sich.

Für die militante Bewegung "Atesch" ist es ihren eigenen Angaben zufolge bei Weitem nicht die erste solche Aktion. Die Gruppe übernahm schon die Verantwortung für zahlreiche Anschläge auf russische Soldaten in der Ukraine und Russland, aber auch für Tötungen von prorussischen Beamten in den besetzten Gebieten. Die Guerilla-Bewegung, die nach eigenen Angaben Ukrainer, Krimtataren und russische Kriegsgegner vereint, wurde Ende September auf der Krim gegründet, kurz nachdem Kremlchef Wladimir Putin die Teilmobilmachung ausgerufen hatte.

Ende November zählte die Bewegung nach eigenen Angaben rund 800 aktive Mitglieder. Darunter seien sowohl Mobilisierte an der Front als auch Personen, die sich auf der Krim aufhalten. Wie hoch die Zahl heute ist, ist unbekannt. Auf eine Nachfrage von ntv.de haben die Aktivisten bislang nicht reagiert.

Es begann auf den Straßen der Halbinsel, wo Flugblätter mit dem "Atesch"-Logo - einem stilisierten Feuer - und der Aufschrift "Das Trojanische Pferd ist los" auftauchten. Doch schon vor der russischen Teilmobilmachung hätten pro-ukrainische Aktivisten auf der Krim eine Widerstandsorganisation gegründet, erklärte die Bewegung in ihrem Telegram-Kanal. Nach und nach würden ihre Agenten nun in die russische Armee einberufen und infiltrierten so den Feind. "Wir werden Informationen an die ukrainischen Streitkräfte weitergeben, kein Schritt der russischen Armee wird unbemerkt bleiben", kündigten die Partisanen an. Der Telegram-Gruppe folgen mehr als 30.000 Menschen.

Eigene Panzer unbrauchbar machen

Neben der Aufklärungstätigkeit rufen die Aktivisten die Mobilisierten dazu auf, sich an Sabotageaktionen wie etwa Beschädigung von russischer Militärtechnik oder Verunreinigung von Kraftstoff zu beteiligen. Auf Telegram teilt die Gruppe unter anderem Videos, in denen Aktivisten erklären, wie man einzelne Panzer-Modelle unauffällig außer Betrieb setzt.

Bis die so verursachten Defekte entdeckt und behoben werden, könne es Tage und Wochen dauern, behaupten die Partisanen. Während dieser Zeit werde man nicht an die Front geschickt, bekomme aber weiterhin sein Gehalt, heißt es in den Videos. "Wir haben uns in die russische Armee eingeschleust, um sie von innen heraus zu zerstören", sagte ein Aktivist der Bewegung in einem Video Anfang Oktober.

Unbestätigte Opferlisten

In den wenigen Monaten seit ihrer Gründung hat die Guerilla-Gruppe nach eigenen Angaben eine Vielzahl von Attacken durchgeführt. In den meisten Fällen legen die Partisanen jedoch keine Beweise für ihre Beteiligung daran vor.

So berichtete die Gruppe Mitte November, sie habe in zwei Krankenhäusern in der Krim-Hauptstadt Simferopol 30 russische Soldaten "liquidiert". Die Aktivisten veröffentlichten zwar eine Liste der angeblichen Opfer. Doch ob die Angriffe überhaupt stattfanden, ist fraglich: Weder Moskau noch Kiew hatten sich zu den vermeintlichen Attacken geäußert. Ukrainische Medien beriefen sich in ihren Berichten allein auf die "Atesch"-Mitteilungen auf Telegram.

Über den Brand in einer Kaserne im Süden der Halbinsel berichteten dagegen im Dezember sowohl ukrainische als auch russische Medien. Im Internet kursierten zudem mehrere Videos, die das Feuer auf dem Stützpunkt im Ort Radjanske unweit von Jalta zeigen sollen. Kreml-Propaganda räumte zwei Tote und mehrere Verletzte ein. Einen Tag nach dem Vorfall übernahm "Atesch" die Verantwortung für den Brand, etwas später veröffentlichte die Gruppe erneut eine angebliche Opferliste. Diesmal umfasste sie neun Namen.

Wie starb der "Gauleiter von Cherson"?

Der aufsehenerregendste Vorfall, für den die Guerilla die Verantwortung übernommen hat, ist der Tod von Kirill Stremousow, stellvertretender Leiter der Besatzungsverwaltung in der Region Cherson. "Der Gauleiter von Cherson", wie er von ukrainischen Medien genannt wurde, starb nach offiziellen russischen Angaben am 9. November, der Tag, an dem der Kreml den Abzug aus der Gebietshauptstadt angeordnet hatte, bei einem Autounfall.

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"Atesch"-Partisanen erklärten, dass sie hinter dem Tod von Stremousow stünden. Sie hätten den Überläufer lange Zeit observiert, schrieben sie auf Telegram. Ende Oktober setzten sie ein Kopfgeld aus. Am Morgen des 9. November berichteten sie schließlich von dem ausgeführten Auftrag - mehrere Stunden, bevor die ersten Meldungen über den Tod von Stremousow auftauchten. Zwar legten die Partisanen auch diesmal keine Beweise für ihre Beteiligung vor, eine Woche zuvor kündigten sie aber in ihrer Telegram-Gruppe an: "Die Beseitigung von Stremousow beginnt."

Offenbar will die "Atesch"-Gruppe ihre Aktionen auf weitere Gebiete ausweiten. Vor dem Hintergrund einer möglicherweise anstehenden zweiten russischen Teilmobilmachung kündigten die Guerilla-Kämpfer die Gründung von zwei neuen Zellen in den Regionen Sibirien und Baschkortostan an. In der Telegram-Gruppe der sibirischen Zelle hieß es vor wenigen Tagen: "Am Tag X werden die Einberufungsämter brennen. Wir freuen uns auf die Mobilmachung."

Quelle: ntv.de

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