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Ausland Allianz von Orbán und Salvini

„Wenn die Linken gewinnen, wird Europa ein islamisches Kalifat“

Orbán drängt EVP zu Kooperation mit Salvinis rechter Lega

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán drängt die konservative Europäische Volkspartei (EVP) dazu, mit der neuen Rechtsaußen-Allianz des italienischen Lega-Chefs Matteo Salvini zusammenzuarbeiten. Aus Deutschland gibt es Kritik an dem Vorstoß.

Quelle: WELT/Thomas Laeber

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Der ungarische Premier empfängt den italienischen Innenminister, und es wird klar: Da haben sich zwei gefunden. Die Wortführer des rechten Lagers in Europa wollen den Kontinent politisch dominieren – und sagen der EU den Kampf an.

Da müssen sich zwei besonders gut verstanden haben, oder es gab besonders viel zu besprechen – Italiens Innenminister Matteo Salvini und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán traten mit einer guten halben Stunde Verspätung am Donnerstagabend vor die Presse.

Die Stimmung war tatsächlich prächtig zwischen den beiden Wortführern des rechten Lagers in Europa: Sie überboten einander mit gegenseitigen Lobpreisungen und sahen offenbar nur ein großes, alles überragendes Problem in Europa: Dass die EU nicht von Männern wie ihnen geführt wird.

„Ich möchte mit dynamischen, vitalen Typen zusammenarbeiten”, sagte Orbán und bescheinigte der politischen Klasse der EU, sie sei „müde und kraftlos”. „Ich hoffe, dass neue Kräfte aufsteigen, die etwas auf die Beine stellen wollen”, sagte er, und schloss: „Europa braucht Matteo Salvini.”

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Innenminister Salvini wiederum betonte, er sei nicht rechts. Sondern seine Lega stelle eine neue „Alternative für Europa” dar. Das klang nach deutscher AfD. Und er dankte Orbán für seine „großartigen Ansichten” in seinem jüngsten Interview mit der Zeitung „La Stampa“. Dort hatte er seiner eigenen europäischen Parteienfamilie, der Europäischen Volkspartei (EVP), Selbstmordgelüste unterstellt, weil sie, so Ungarns Premier, mit Linken und Liberalen kooperieren wolle.

Wird die Parteienfamilie mit Orbáns Fidesz brechen?

Die EVP und Orbán. Diese Frage war der Elefant im Raum: Wird die Parteienfamilie mit Orbáns rechtsgerichteter Fidesz brechen, und wenn ja, machen Orbán und Salvini dann gemeinsame Sache? Rein intellektuell und gefühlsmäßig war nach fast einer Stunde Pressekonferenz klar: Die beiden Männer können sich gar nichts Schöneres vorstellen, als gemeinsam Politik zu machen.

Ob das auch eine Scheidung bedeuten muss in der unglücklichen Ehe von Fidesz und der EVP, das war weniger klar. Beide Männer signalisierten, viel besser wäre es, wenn die EVP endlich so werde wie sie. Etwa in der Migrationspolitik, in der beide einen harten Kurs verfolgen.

Salvini sagte: Wenn die EVP sich Orbáns Ansichten zu eigen machte, würde es eine Freude sein, mit ihr zusammenzuarbeiten. Orbán sagte: Die EVP muss sich Salvinis Ansichten zu eigen machen. Das sei aber zur Zeit eher unwahrscheinlich.

Klarer denn je schälten sich hier die Konturen einer breiten Kooperation des rechten Lagers in der EU ab nach den Europawahlen am 26. Mai. Nach Salvini kommt schon am Montag auch FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache nach Budapest, der mit Salvini künftig eine neue Parteienfamilie im EU-Parlament bilden möchte.

Salvini kam formal in seiner Funktion als Italiens Innenminister nach Budapest, um sich über Ungarns Grenzzaun am Übergang zu Serbien zu informieren – und um gemeinsame Bilder mit dem Ungarn zu liefern. Die eigentliche Bedeutung des Besuchs lag aber in Salvinis Eigenschaft als Chef der rechten Lega-Partei. Orbán sieht in ihm den neuen, elektrisierenden Wortführer der europäischen Rechten. Im Interview mit „La Stampa” nannte er Salvini „den wichtigsten Mann in Europa”. Und schon vor Monaten hatte er gesagt: „Salvini ist mein Held”. Salvini seinerseits sagte über Orbán: „Er ist ein Fixpunkt in Europa”.

„Wenn die Linken gewinnen, wird Europa ein islamisches Kalifat“

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Bei so viel gegenseitigem Schulterklopfen sollte man meinen, die beiden Männer planten eine politische Allianz – immerhin ist Orbáns Regierungspartei Fidesz nach einer Plakatkampagne mit haltlosen Vorwürfen gegen die vermeintliche Migrationspolitik von US-Investor George Soros und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker „suspendiertes” EVP-Mitglied, und auch Salvini gründete am 8. April eine rechte europäische Parteienfamilie: die Europäische Allianz der Völker und Nationen.

Gründungsmitglieder sind die AfD, Österreichs FPÖ, Marine Le Pens Rassemblement National aus Frankreich sowie die Wahren Finnen und die rechtspopulistische dänische Volkspartei. In der Pressekonferenz sagte Salvini, er wisse nicht, wie viele Parteien am Ende sich dem neuen Bündnis anschließen und wie stark sie bei den Wahlen abschneiden würden. „Aber ich hoffe, wir werden sehr stark sein, denn wenn die Linken gewinnen, wird Europa ein islamisches Kalifat werden”.

So produziert man Schlagzeilen. Auch Orbán versteht sich darauf, wenn er die EVP als „Selbstmordkandidat” und christdemokratische Kritiker als „nützliche Idioten” bezeichnet. Aber kann man so auch die Wahlen gewinnen? Gar die EU führen? Denn das formulierten die Politiker als ihr Ziel. Die gegenwärtige EU-Führung müsste ausgetauscht und „Brüssel” zugunsten der Nationalstaaten entmachtet werden, sagten beide.

Schon vor Salvinis Ungarnreise hatte ein intensiver Austausch zwischen seiner Lega und der ungarischen Fidesz eingesetzt. Kurz nachdem die Fidesz-Mitgliedschaft in der EVP im März suspendiert worden war, reisten nacheinander zwei von Orbáns engsten Vertrauten nach Italien: Fidesz-Vizepräsidentin Katalin Novák und Parlamentspräsident László Kövér, einer der ältesten und treuesten Weggefährten des ungarischen Premiers. Es ist klar, dass beide Seiten eine sehr enge Kooperation planen und auch dass sie die Mauern der EVP einreissen wollen, die diese gegen „rechtspopulistische” Parteien errichtet habe.

Salvini soll für eine Öffnung in Richtung EVP offen sein, doch EVP-Chef Joseph Daul will das verhindern. Er soll gesagt haben: „ohne mich”. Auch mit EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) dürfte eine Rechtswende kaum zu machen sein. Weber sagte, er würde auf den Vorsitz der EU-Kommission verzichten, wenn er nur mit Hilfe der Fidesz-Abgeordneten Kommissionspräsident werden könnte. Nach einer solchen Aussage könnte Weber kaum Salvini und Marine Le Pen um Unterstützung bitten und sich dafür etwa von Grünen und Sozialdemokraten abwenden.

Was also, wenn die EVP keinen Rechtsruck vollzieht? Dazu hat Orbán bislang zwei Dinge gesagt: Dann gebe es eigentlich keinen Grund für ihn zu bleiben – aber er bitte die Bürger um „Geduld” bis zu seiner Entscheidung. Dass er Salvini Weber vorzieht, aus Orbáns Sicht gewiss auch ein „kraftloser” Vertreter der „müden” EU-Elite, daran gab es nach dieser Pressekonferenz keinen Zweifel mehr. Aber die Vernunftehe mit der EVP ist noch nicht ganz geschieden.

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