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Donald Trumps Ex-Anwalt verurteilt "Individuum-1" im Visier

Donald Trumps Ex-Anwalt Michael Cohen muss wegen Betrugs, Meineids und illegaler Wahlbeeinflussung für drei Jahre in Haft. Die Ermittler arbeiten sich nun immer näher an den Präsidenten selbst heran.
US-Präsident Trump im Oval Office

US-Präsident Trump im Oval Office

Foto: JONATHAN ERNST/ REUTERS

William Pauley versteht keinen Spaß. "Ein Gerichtssaal ist ein Ort der Würde", polterte er einmal. "Ernste Dinge geschehen hier." Das ließ der US-Bezirksrichter schon viele spüren, vor allem die Angeklagten - ob korrupte Senatoren oder betrügerische Banker.

Dem Delinquenten, der am Mittwoch in Pauleys Verhandlungssaal in Manhattan antreten musste, war das Lachen ohnehin längst vergangen. Michael Cohen, der frühere Anwalt und Ausputzer von US-Präsident Donald Trump, hatte sich mehrerer Verbrechen schuldig bekannt, darunter illegale Wahlspenden, Betrug und mehrfacher Meineid. Nun verkündete Pauley das Strafmaß: drei Jahre Haft.

"Ich übernehme die volle Verantwortung", sagte Cohen unter Tränen.

Doch hier geht es um viel mehr als den Sturz eines einstigen Trump-Vertrauten. Es geht um Trump selbst, um die Zukunft seiner Präsidentschaft - und um das politische Chaos, das Amerika nun droht.

Foto: SPIEGEL ONLINE

Denn Cohens Geständnis hat sie vollends enthüllt, die rechtsfreie Halbwelt, aus der Trump aufstieg. Der Anwalt gab zu, 2016 an zwei mutmaßliche Trump-Geliebte - Pornodarstellerin Stormy Daniels und Ex-Playmate Karen McDougal - Schweigegeld gezahlt zu haben, ein Verstoß gegen die Spendengesetze. Außerdem habe er Kontakte nach Moskau geknüpft, um einen Wahlsieg für alle Beteiligten möglichst profitabel zu gestalten.

Der wahre Skandal findet sich denn auch zwischen den Zeilen der Anklageschrift: Nach Angaben der Staatsanwaltschaft verfolgte Cohen, 52, seinen Plan, "die Wahlen aus dem Schatten heraus zu beeinflussen", nicht auf eigene Faust - sondern "in Abstimmung mit und auf Anweisung von Individuum-1".

Dieses "Individuum-1" ist niemand anders als Trump. "Ich habe seine schmutzigen Taten vertuscht", gab Cohen vor Gericht zu.

Reuters

Ohne ihn namentlich zu nennen, wirft die Justiz dem US-Präsidenten vor, als Anstifter, Mitwisser und Komplize an der Manipulation jener Wahl beteiligt gewesen zu sein, die ihn ins Weiße Haus beförderte. Das wirft beispiellose Fragen auf: Ist ein Präsident juristisch haftbar, solange er amtiert - oder erst danach? Wird der Wahlkampf 2020 deshalb zum Kampf Trumps gegen eine Anklage und eine drohende Haftstrafe?

Solche Fragen stellen Amerikas Demokratie ernsthaft auf den Prüfstand. "Wir begeben uns in eine gefährliche Phase", warnten 44 Ex-Senatoren beider US-Parteien jetzt in einem offenen Brief. Und der "Washington Post"-Kolumnist Max Boot äußerte die Befürchtung: "Unser langer nationaler Albtraum hat gerade erst begonnen."

Schließlich ist das nicht alles: Während sich der Fall Cohen auf dem Papier um die Vertuschung mutmaßlicher Sex-Affären dreht, steuert Russland-Sonderermittler Robert Mueller auf noch viel dramatischere Enthüllungen zu.

Russland-Sonderermittler Robert Mueller

Russland-Sonderermittler Robert Mueller

Foto: SAUL LOEB/ AFP

Mueller, der parallel zur Justiz im Stillen arbeitet, untersucht mögliche Absprachen des Trump-Teams mit Moskau und den Verdacht der Justizbehinderung durch Trump selbst. Wie viel er gegen den Präsidenten wirklich in der Hand hat, ist noch ungewiss. Doch selbst viele Republikaner haben kaum noch Zweifel, dass Muellers Bericht, der in Kürze erwartet wird, verheerend ausfallen wird.

Immer mehr Ex-Vertraute Trumps packen aus. Michael Cohen, der weiß, wo welche Leichen im Keller liegen, hat Mueller "wertvolle Informationen" über Trumps Russland-Connections geliefert. Trumps früherer Wahlkampfchef Paul Manafort und sein erster Sicherheitsberater Michael Flynn bekannten sich ebenfalls schon schuldig und verhandeln zurzeit über Haftmilderung im Gegenzug für ihre Kooperation.

Droht Trump eine Anklage?

"Es ist höchstwahrscheinlich, dass der Präsident angeklagt wird", schrieb Ex-Staatsanwalt Andrew McCarthy, bisher ein treuer Verfechter Trumps, auf der Website des konservativen Senders Fox News. Der demokratische Abgeordnete Eric Swalwell formulierte es in der "New York Times" noch drastischer: "Diesem Präsidenten droht Gefängnis."

Kommt es wirklich so weit? Das Weiße Haus beharrt darauf, dass Trump Immunität genießt. Aber auch dann könnte er immer noch angeklagt werden, falls er die nächste Wahl verliert. Schon hat Mueller Teile seiner Ermittlungen an andere Behörden abgetreten, damit diese auch ohne ihn weitermachen können.

Trumps Ex-Wahlkampfchef Paul Manafort

Trumps Ex-Wahlkampfchef Paul Manafort

Foto: Yuri Gripas/ REUTERS

Die akute Gefahr für Trump ist aber politischer Natur: Von Januar an haben die Demokraten im Repräsentantenhaus die Mehrheit. Dort könnte es, falls sich die Beweislage weiter erhärtet, zum Impeachment kommen, einem Amtsenthebungsverfahren. Sogar Trump selbst, meldete CNN, halte das inzwischen für eine "reale Möglichkeit". In einem Reuters-Interview gab er sich allerdings trotzig: "Es ist schwierig, jemanden wegen Amtsvergehen anzuklagen, der nichts falsch gemacht hat", sagte Trump. Er sei nicht beunruhigt.

Allerdings ist ihm der wachsende Druck anzumerken. Bisweilen wirkt Trump noch unbeherrschter als sonst, in seinen Tweets und bei seinen Auftritten, zuletzt am Dienstag, als er im Oval Office vor laufenden Kameras explodierte.

Der Präsident stellt die Wagenburg enger. Ohne einen Nachfolger zu haben, feuerte Trump seinen Stabschef John Kelly. Außer Loyalisten und Jasagern will keiner mehr seine Reputation riskieren. Die Rechtsabteilung des Weißen Hauses, die Trump nun braucht, ist ebenfalls ausgeblutet.

Was Trump bleibt, sind die Machthebel seines Amts. Schon fürchten manche, dass er, mit dem Rücken zur Wand, einen nationalen Notstand ausrufen oder das Militär aktivieren könnte, um von seinen Problemen abzulenken.

Spätestens 2020 müssen dann die Wähler entscheiden, ob Trump eine zweite Amtszeit verdient - oder, falls die Justiz das befindet, Gefängnis.