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Trump vor den Midterm-Wahlen "Je mehr er redet, desto mehr lügt er"

Seit Amtsantritt verbreitet Donald Trump pro Tag im Schnitt acht Unwahrheiten. Vor den wichtigen Kongresswahlen erhöht der US-Präsident noch mal die Schlagzahl - und bricht seinen Lügenrekord.
Donald Trump

Donald Trump

Foto: AP/ The Herald-Dispatch

"Wenn ich kann, sage ich die Wahrheit": Das antwortete Donald Trump in dieser Woche auf die Frage eines Journalisten, ob er sein Versprechen gehalten habe, als Präsident die US-Bürger nie anzulügen. Trumps schwammige Aussage zeigt: Er weiß genau, dass er dieses Ehrenwort gebrochen hat. Wahrscheinlich ist er sich nur nicht bewusst, wie oft das in seiner Amtszeit geschehen ist. Denn diese Information steht in den Medien, die er hasst.

Die Antwort lautet: tausendfach.

In den mehr als 600 Tagen seiner Amtszeit hat Trump pro Tag durchschnittlich 8,3 falsche Behauptungen geäußert, berichtet die "Washington Post". In den vergangenen Monaten hat die Frequenz seiner falschen oder zumindest missverständlichen Aussagen noch einmal zugenommen. Das belegen Auswertungen der "Washington Post"  und des kanadischen "Toronto Star".

Demnach waren es in den vergangenen sieben Wochen sogar 30 Lügen am Tag. Insgesamt kommt die "Washington Post" derzeit auf mehr als 6400 falsche oder irreführende Aussagen des Präsidenten.

Jeder andere seiner Vorgänger hätte für derart viele öffentliche Fehlinformationen wahrscheinlich schon längst seinen Sturz fürchten müssen. Doch für Trump sind die Konsequenzen bisher gleich null - und so erhöht er einfach weiter die Schlagzahl.

Und das hat einen Grund: In wenigen Tagen stehen die Midterm-Wahlen an. Die gelten auch als Stimmungstest für die bisherige Arbeit des Präsidenten. Aber es geht um viel mehr: Verlieren die Republikaner eine der beiden Kammern im Kongress oder gleich beide, könnten die Demokraten dem Präsidenten das Regieren sehr schwer machen.

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Also macht Trump seit Wochen Stimmung, bei Wahlkampfauftritten, auf Twitter, im Fernsehen. Zu einem seiner bevorzugten Angriffsziele hat er den Flüchtlingstreck Tausender Lateinamerikaner in Richtung USA auserkoren, die er "Karawane" nennt. Über sie verbreitet er besonders viele Gerüchte - aber nicht nur über sie.

  • Unter die Migranten aus Mittelamerika hätten sich Personen aus dem "Mittleren Osten" gemischt, behauptete Trump. Was er damit eigentlich sagen wollte: In die "Karawane" hätten sich Terroristen eingeschleust. Eine Falschaussage. Trump räumte später selbst ein, es gebe keinen Beweis dafür. Die Chance bestehe aber sehr wohl, so der Präsident.
  • Eine weitere Mär, die er über den Flüchtlingstreck verbreitete: Dass der Milliardär und Demokraten-Unterstützer George Soros die Flüchtlinge finanziere. "Ich wäre nicht überrascht", sagte Trump zu derlei Gerüchten. Soros gilt als absolutes Feindbild der Rechten.
  • Trump versprach - zur Überraschung seiner eigenen Partei - vor zwei Wochen Steuersenkungen von zehn Prozent für die mittleren Einkommensschichten. Umgesetzt werden sollte das noch vor den Midterm-Wahlen. Das ist allerdings unmöglich: Das Vorhaben müsste vom Kongress unterstützt werden, der kommt vor den Midterm-Wahlen aber gar nicht mehr zusammen.
  • Per Verfügung wolle Trump zudem das Geburtsrecht in den USA abschaffen: Es sieht vor, dass in den USA geborene Kinder automatisch US-Bürger sind. Trump ist das ein Dorn im Auge, denn auch Kinder von illegalen Einwanderern erhalten diesen Status. Das Problem: Trump kann darüber gar nicht entscheiden.
  • Und dann wäre da noch das Thema Gesundheitsversorgung: Bürger mit Vorerkrankungen fürchten, dass bei einem Wegfall von Obamacare Versicherungen sie künftig wieder ablehnen dürfen. Das ist seit Obamacare verboten. Die Republikaner wollen das Gesetz aber unbedingt revidieren. Damit fiele auch die Regelung für Menschen mit Vorerkrankungen weg. Das stößt auf immense Kritik. Trump behauptete deshalb, dass er und die Republikaner sich wesentlich mehr für diese Personengruppe einsetzen würden als die Demokraten - belegen kann er das allerdings nicht.

"Je mehr er redet, desto mehr lügt er", sagt Daniel Dale dem SPIEGEL. Der Journalist des "Toronto Star" überprüft wie die "Washington Post" jede Aussage des Präsidenten auf ihren Wahrheitsgehalt. Im Unterschied zur "Washington Post" zählt Dale aber nur die tatsächlichen Lügen und nicht überspitze Äußerungen, die man fehlinterpretieren könnte.

Dale kommt auf 3804 Lügen seit der Amtsübernahme Trumps. Der Präsident war kaum im Amt, da ging es mit verdrehten Wahrheiten schon los. "Das war das größte Publikum, das je einer Amtseinführung beigewohnt hat. Punkt", verkündete Trumps damaliger Sprecher Sean Spicer am Tag nach der Amtseinführung im Januar 2017. Veröffentlichte Fotos, die anderes belegen, seien von den Medien gefälscht, sagte Spicer. Die Aussage blieb ohne Beleg. Spicer arbeitet schon lange nicht mehr für Trump. Der Präsident macht unbeirrt weiter.

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Wöchentlich veröffentlicht Journalist Dale seine Auswertungen. "In den vergangenen Wochen haben die Lügen noch mal drastisch zugenommen", sagt er. Das zeigt auchdie Auswertungskurve der "Washington Post" .

Mitte Oktober brach Trump den Rekord in Dales Aufzeichnungen: Es waren 170 Lügen in der Woche zwischen dem 7. und 14. Oktober. In der Vorwoche waren es 129, der dritthöchste Wert seit Amtsübernahme.

Anfängliche habe Trump bei seinen Aussagen vor allem übertrieben, inzwischen sei er mehr zu beweisbaren Lügen übergangen, sagt Dale. Die Unterstützer scheint das wenig zu stören. Entweder sie verdrängten diesen Fakt, oder sie akzeptieren es schlicht, sagt Dale. Nach dem Motto: "Er lügt zwar, aber seine Politik ist gut."