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Schulz zu Gauland "Auf den Misthaufen in der deutschen Geschichte gehören Sie"

Der AfD-Fraktionschef hat im Bundestag die Kanzlerin scharf kritisiert. Ex-SPD-Chef Martin Schulz schaltete sich ein - und konterte leidenschaftlich.
Martin Schulz mit Abgeordneten

Martin Schulz mit Abgeordneten

Foto: HANNIBAL HANSCHKE/ REUTERS

Heftiger Streit bei der Generaldebatte im Bundestag: Ex-SPD-Chef Martin Schulz wirft AfD-Fraktionschef Alexander Gauland vor, sich in seinen Reden der tradierten "Mittel des Faschismus" zu bedienen. Zuvor hatte Gauland in seiner Rede Straftaten von Asylbewerbern und Flüchtlingen aufgezählt und die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) scharf kritisiert.

SPIEGEL ONLINE

"Eine ähnliche Diktion hat es in diesem Hause schon einmal gegeben", sagte Schulz in einer Kurzintervention. Gauland reduziere komplexe Sachverhalte auf ein einziges Thema, bezogen auf die Minderheit der Migranten. Mit Blick auf die AfD ergänzte er: "Es ist Zeit, dass die Demokratie sich gegen diese Leute wehrt."

Es folgte lauter Beifall von Abgeordneten der SPD, der Union, der Linken und der Grünen. Auch einzelne FDP-Abgeordnete applaudierten Schulz.

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Schulz ging auch auf eine Rede Gaulands ein, in der der Afd-Vorsitzende Anfang Juni gesagt hatte, Hitler und die Nationalsozialisten seien "nur ein Vogelschiss" in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte. "Herr Gauland, die Menge von Vogelschiss ist ein Misthaufen und auf den gehören Sie in der deutschen Geschichte." Viele Abgeordnete applaudierten und erhoben sich von ihren Sitzen.

Schulz: "Das Zeigen des Hitlergrußes ist eine Straftat"

Bezogen auf eine Äußerung von Gauland, die Hitlergrüße in Chemnitz seien "widerlich", sagte Schulz: "Das Zeigen des Hitlergrußes ist eine Straftat, die strafrechtlich verfolgt werden muss."

Gauland wies Schulz' Vorwürfe zurück. Seine Äußerungen hätten "mit Faschismus überhaupt nichts zu tun". Zu den Ausschreitungen von Rechtsextremen in Chemnitz sagte der AfD-Chef, es habe keine Menschenjagden gegeben.

Hunderte Chemnitzer hätten nach der Gewalttat spontan von ihrem Versammlungsrecht Gebrauch gemacht. "Frau Merkel, Sie nannten das Zusammenrottung", sagte Gauland an die Kanzlerin gewandt. Sie habe damit die Demonstrationen im "Duktus eines totalitären Staates" kritisiert.

Den anderen Parteien im Bundestag warf Gauland vor, sich gegen die AfD zu stellen: "Sie versuchen, die Opposition zu kriminalisieren, indem sie eine Art Volksfront gegen die AfD aufbauen." Er nahm den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, in Schutz. Maaßen war dafür kritisiert worden, dass er in einem Interview darauf beharrt hatte, in Chemnitz habe es in den vergangenen Tagen keine "Hetzjagden" auf Ausländer gegeben.

Merkel verurteilt "menschenverachtende Demonstrationen"

Merkel verurteilte in ihrer Rede die Ausschreitungen bei rechten Kundgebungen erneut scharf. Sie verstehe und teile die Empörung über das Tötungsdelikt in Chemnitz, doch dies könne keine Entschuldigung für "menschenverachtende Demonstrationen" sein.

Es gebe weder eine Entschuldigung noch eine Begründung für "Hetze", "Naziparolen" und Übergriffe auf Menschen, "die anders aussehen". Die Kanzlerin wandte sich gegen eine Debatte über Begrifflichkeiten in diesem Zusammenhang. Ein Streit, ob bestimmte Vorfälle Hetze oder Hetzjagd zu nennen seien, helfe nicht weiter. Vielmehr müsse die Reaktion sein, sich solchen Ausschreitungen entschieden entgegenzustellen.

Merkel räumte mit Blick auf Chemnitz und andere Orte ein, es habe zuletzt mehrfach "schwere Straftaten" gegeben, bei denen die mutmaßlichen Täter Asylsuchende waren. Das mache sie "betroffen". Viele Menschen hätten mit Demonstrationen gezeigt, "wie aufgewühlt sie sind", und damit ein "verfassungsrechtlich verbrieftes Recht" genutzt. "Wir als Politiker sind verpflichtet, ihre Anliegen ernst zu nehmen."

Lindner fordert Migrationskonsens gegen AfD

FDP-Chef Christian Lindner forderte einen Migrations- und Integrationskonsens in Bundestag und Bundesrat. Dafür müssten sich die "staatstragenden Parteien der Mitte" zusammentun. "Das wäre das Mittel, um die da kleinzumachen", sagte Lindner mit Blick auf die AfD-Fraktion.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) warf er vor, er habe "pauschal Migration zu einem Problem" erklärt. "Das Problem ist das Management der Migration, für das ihre Partei seit fünf Jahren Mitverantwortung trägt", sagte Lindner.

Der Bundesregierung warf Lindner vor, trotz sprudelnder Einnahmen und Rekordbeschäftigung die Zukunft nicht zu gestalten. Der Entwurf des Bundeshaushalts für 2019, über den der Bundestag in dieser Woche im ersten Durchgang debattiert, sei ein Haushalt der verpassten Chance.

Nahles verteidigt Syrien-Kurs ihrer Partei

In der Generaldebatte zeigten sich auch die Meinungsunterschiede in der Regierungskoalition bei der Syrien-Politik. SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles bekräftigte ihr Nein zu einer militärischen Beteiligung Deutschlands im Fall eines Vergeltungsschlages nach einem Giftgas-Einsatz in Syrien.

"Das Völkerrecht kennt aus gutem Grund kein Recht auf militärische Vergeltung und schon gar nicht durch einen Staat oder durch eine irgendwie zusammengestellte Koalition", sagte Nahles. Nur die Vereinten Nationen könnten die internationale Gemeinschaft ermächtigen, auch militärisch zu handeln. "Solange dies nicht geschieht, können wir Sozialdemokraten keinem gewaltsamen Eingriff in Syrien zustimmen."

Bundeskanzlerin Merkel hatte kurz zuvor eine Beteiligung der Bundeswehr nicht ausgeschlossen. "Von vornherein einfach 'Nein' zu sagen, egal was auf der Welt passiert, das kann nicht die deutsche Haltung sein", sagte die CDU-Vorsitzende.

Auch Nahles kritisierte die AfD scharf: "Sie marschieren Seit' an Seit' mit Neonazis und verhöhnen unser Land und unsere Werte", sagte die SPD-Chefin. "Ihre Maske ist gefallen."

Bartsch und Göring-Eckardt fordern Konsequenzen im Fall Maaßen

Der Fraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, forderte personelle Konsequenzen im Fall des Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen. Dieser habe die Menschen mit Falschinformationen verunsichert. Zudem hätte er vor den Krawallen in Chemnitz auf eine Zusammenrottung von Rechtsradikalen hinweisen sollen.

Bartsch kritisierte ferner den Haushalt der Bundesregierung. "Die "schwarze Null" sei eine "Null zulasten künftiger Generationen". Er forderte ferner eine Grundsicherung für Kinder. In Sachen Digitalisierung sei Deutschland ein Entwicklungsland, sagte Bartsch, und kritisierte die Bundesregierung: "Sie haben die Digitalisierung nicht verschlafen, Sie haben sie verweigert."

Die Fraktionschefin der Grünen Katrin Göring-Eckardt sagte, es könne nicht sein, dass Seehofer Maaßen im Amt lasse, von dem man nicht wisse, ob er "Rechtsaußen beobachtet oder coacht".

Göring-Eckardt kritisierte Seehofer auch wegen dessen Aussagen zur Migrationsfrage: "Migration ist nicht die Mutter aller Probleme, es ist ein Fakt." Die Fraktionschefin der Grünen fügte hinzu: "Herr Seehofer, üben Sie endlich Ihr Amt aus oder legen Sie es nieder!"

Die Klimapolitik der Bundesregierung bezeichnete Göring-Eckardt als "Totalausfall". Sie warf der Regierung ferner Untätigkeit beim Thema Altersarmut vor.

Zu den jüngsten Ereignissen in Chemnitz und Köthen sagte Göring-Eckard: "Wir müssen als Demokraten zusammenstehen - gegen die Rechtsradikalen und gegen den parlamentarischen Arm dieser Hetzer - gegen die AfD!" Sie warnte vor pauschalen Urteilen über den Osten des Landes. Die Bürger seien in großer Mehrheit Demokraten, "nicht Arschlöcher, die Hitlergrüße zeigen".

Dobrindt kritisiert Umgang mit Ereignissen in Chemnitz

Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt äußerte sich zum öffentlichen Umgang mit den Ereignissen in Chemnitz. Manchmal habe man das Gefühl, "dass die Empörung über die Empörten stärker formuliert wird ist als die über eine schreckliche Bluttat", sagte Dobrindt.

Diese Tat müsse mit "aller Härte des Rechts verfolgt und bestraft" werden. Er habe Verständnis dafür, dass solche Taten zu Empörung führten.

Es sei auch selbstverständlich, dass Menschen dieser Empörung Ausdruck verleihen, sagte Dobrindt. Es sei aber genauso selbstverständlich, dass dieser "Ausdruck der Empörung" die Regeln unseres Rechtsstaats einhalten müsse. Die radikaler Hetze, das Zeigen des Hitlergrußes und der Anschlag auf das jüdische Lokal seien Dinge, die "keinen Millimeter Platz" haben dürften.

AfD verlässt Sitzungssaal

Während einer Rede des SPD-Abgeordneten Johannes Kahrs verließ die AfD-Fraktion geschlossen den Plenarsaal. Der haushaltspolitische Sprecher der Sozialdemokraten hatte AfD-Abgeordnete als Rechtsradikale bezeichnet. "Schauen Sie in den Spiegel, dann sehen Sie, was diese Republik in den 20ern und 30ern ins Elend geführt hat", erklärte er unter anderem. Die AfD-Ko-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel erklärte anschließend in einer Pressemitteilung, Kahrs habe sich mit seinen inakzeptablen Beschimpfungen selbst disqualifiziert. Er beleidige auf unflätigste Art und Weise eine immer größer werdende Zahl von Wählern. "Nicht zu Unrecht erodiert das Wählerpotential der SPD. Der Abgehobenheit und Bürgerferne der Sozialdemokraten wird bei den nächsten Wahlen die Quittung präsentiert werden", so Weidel.

asa/Reuters/dpa/AFP