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Christian Stöcker

Krawalle in Chemnitz Wie man Nazis erkennt

Offenbar haben manche Ostdeutsche, aber auch einige westdeutsche Journalisten, Schwierigkeiten, Nazis zu erkennen und einzuordnen. Hier ein paar einfache Tipps.
Rechte Demonstranten in Chemnitz

Rechte Demonstranten in Chemnitz

Foto: Jan Woitas/ dpa

Es ist schwieriger geworden, Nazis auf Anhieb zu erkennen. Lange haben sie sich selbst meist klar markiert, mit rasierten Köpfen, Springerstiefeln und so weiter. Mittlerweile haben Nazis öfter mal sogenannte Fleischtunnel in den Ohrläppchen, sie tragen Ziegenbärte und Kapuzenpullis. Manche sehen aus wie fette Türsteher, andere wie die Säufer, die vor Einkaufszentren herumhängen und Passanten anpöbeln.

Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass manche Menschen, zum Beispiel in Chemnitz, im Moment offenbar Schwierigkeiten haben, zu erkennen, wenn sie mit Nazis gemeinsam demonstrieren. Keine Sorge, liebe verunsicherte Chemnitzer, das geht nicht nur Ihnen so - ein alternder westdeutscher Journalist fragte diese Woche bei Twitter, ob man nicht die Verbrechen der Nazizeit verniedliche, wenn man "jede rechtsradikale Dumpfbacke als Nazi bezeichnet". Sie sehen - die Verwirrung reicht weit.

Im Video: Rechtsextreme Krawalle in Chemnitz

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Der Hitlergruß, einfach erklärt

Deshalb hier ein paar einfache Handreichungen. Die einfachste Methode, Nazis in der Öffentlichkeit zu erkennen, ist der sogenannte Hitlergruß. Wer Adolf Hitler war, muss ich sicher nicht erklären, aber offenbar doch noch einmal daran erinnern, dass er gemeinsam mit anderen verabscheuungswürdigen Menschen dafür gesorgt hat, dass Fabriken mit dem Zweck gebaut wurden, Menschen umzubringen. Wer den rechten Arm zum Hitlergruß erhebt, signalisiert, dass er den industriell organisierten Massenmord an Millionen Menschen, das größte Verbrechen der Geschichte, für einen Schritt in die richtige Richtung hält. Der Hitlergruß ist in Deutschland deshalb verboten.

Ein weiteres Erkennungsmerkmal sind die Sprüche, die Nazis skandieren, wenn sie sich gemeinsam stark fühlen wollen: "Frei, sozial und national", "Hier marschiert der nationale Widerstand" sowie "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus". Wenn Sie sich in oder neben einer Gruppe wiederfinden, die solche Sprüche skandiert, handelt es sich um Nazis, ganz einfach. Allzu groß ist das Repertoire nicht, viele Nazis sind eher schlichte Gemüter.

Durchaus organisiert

Es gibt noch viele weitere Signale - hier  und hier  finden Sie Hinweise. Außerdem gründen Nazis immer wieder Vereinigungen, die zum Beispiel "Hooligans, Nazis und Rassisten" heißen, "NS Boys"  oder "Nationalsozialistischer Untergrund". Die Nazis von heute sind nämlich durchaus organisiert, siehe Chemnitz, obwohl auch das verboten ist.

Aber belassen wir es mal bei den zwei obigen Faustregeln.

Demonstrationen mit Nazis sind Nazi-Demonstrationen

Wie verhält man sich nun, wenn man sich neben Nazis wiederfindet? Auch hier gibt es eine einfache Regel: Es gibt Nazi-Aktionen und andere Demonstrationen. Es gibt aber keine Demonstrationen, bei denen grölende Nazis mitlaufen, die trotzdem keine Nazi-Demonstrationen sind. Es ist wie mit Hühnerbrühe: Nur ein paar Tropfen Blausäure, und schon ist die schöne Suppe völlig ruiniert.

Man kann, das wird den einen oder anderen überraschen, mit einzelnen Nazis durchaus in bestimmten Fragen einer Meinung sein. Ich zum Beispiel mag Bolognese lieber als Pesto, und das gilt sicher auch für den einen oder anderen Nazi. Wenn es aber um kollektive Einstellungen geht, um Themen, die über Nudelsoßenpräferenz hinausgehen, kann man mit Nazis nicht einer Meinung sein. Auch nicht ein bisschen oder nur ein Stück.

Nazis haben nur eine einzige politische Meinung

Nazis haben nämlich nur ein einziges politisches Ziel: Sie möchten, dass Deutschland wieder von Nazis beherrscht wird, die dann mit allen Nicht-Nazis endlich wieder Nazi-Dinge tun können. Fabriken bauen also, in denen alle, die den Nazis nicht passen, bei Bedarf umgebracht werden können: Behinderte, Juden, politische Gegner, Schwule, Lesben, und diesmal sicher auch Muslime und Menschen mit anderer Hautfarbe. Das ist die politische Meinung von Nazis.

Weil die weniger Dummen unter ihnen wissen, dass das vielen normalen Menschen schwer vermittelbar ist, verfolgen Nazis zwei Strategien. Die eine besteht darin, die Lüge zu verbreiten, dass der industriell organisierte Massenmord gar nicht stattgefunden hat und man deshalb mit gutem Gewissen auch heute noch Nazi sein kann. Das nennt man Holocaustleugnung, und auch das ist in Deutschland verboten.

Die andere Strategie besteht darin, den Holocaust nicht zu leugnen, sondern langsam in Vergessenheit geraten zu lassen. Wenn die Leute nicht mehr ständig an den Massenmord erinnert werden, das ist das Kalkül, dann finden sie es vielleicht irgendwann wieder okay, mit Nazis zumindest ein bisschen einer Meinung zu sein.

Diese zweite Strategie, wer verfolgt die noch?

Interessanterweise bekommen die Nazis bei dieser zweiten Strategie in jüngster Zeit verstärkt Unterstützung, zum Beispiel von Björn Höcke und Alexander Gauland von der AfD. Keine Ahnung, woran das jetzt wieder liegt.

Jedenfalls ist es aus den oben genannten Gründen für Nicht-Nazis unmöglich, sich mit Nazis vorübergehend und zweckgebunden zu verbünden. Wer neben Nazis marschiert, ist entweder selbst ein Nazi oder ein nützlicher Idiot der Nazis. Andere Kategorien gibt es nicht.

Wenn Sie also feststellen, dass Sie an einer Kundgebung teilnehmen, bei der auch Nazis mitmachen, gehen Sie schnell nach Hause. Wenn Sie Hitlergrüße, Hakenkreuze oder gar gewaltsame Übergriffe sehen, informieren Sie die Polizei. Dann kommt bald niemand mehr auf die Idee, zum Beispiel "die Sachsen" oder "die Chemnitzer" für Nazi-Sympathisanten zu halten. Das gilt natürlich ebenso für Westdeutsche.

Wenn Sie allerdings selbst den industriell organisierten Massenmord an Millionen von Menschen für eine gute Idee halten, hoffe ich, dass Sie ab heute jede Nacht von Menschen träumen, die verzweifelt aufeinander klettern, um dem Gas zu entkommen. Und dann schreiend aufwachen. Vielleicht hilft das ja.

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