Nur noch zwei Wochen sind es bis zum EU-Gipfel – und Viktor Orbán stellt sich wieder einmal quer. Der ungarische Ministerpräsident plädiert inzwischen dafür, auf EU-Ebene vorerst überhaupt nicht mehr über die Flüchtlingsverteilung abzustimmen. "Wir sollten abwarten, dass die Menschen in Europa ihre Meinung kundtun bei den Wahlen 2019. Möge dann kommen, was kommen wolle", sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) – gemeint ist die Europawahl im kommenden Mai.

Ungarn leiste einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Schengen-Außengrenze, betonte Orbán. "Wir bewahren Deutschland vor 12.000 Immigranten täglich. Wir sind Grenzposten und wissen, was unsere Pflicht ist." Einen Kompromiss zur Verteilung von Flüchtlingen werde er nicht akzeptieren. "Es gibt Fragen, bei denen es niemals Einvernehmen gibt."

Angesichts solcher Töne klingt eine europäische Lösung, für die Bundeskanzlerin Angela Merkel vehement wirbt, fast naiv. Erst am Samstag sagte sie erneut, dass die Migrationsfrage eine europäische Herausforderung sei, die eine europäische Antwort brauche. "Und ich halte dieses Thema für eines der entscheidenden für den Zusammenhalt Europas." Merkel favorisiert bilaterale Abkommen Deutschlands mit anderen Staaten, etwa mit Italien oder Griechenland, über die Zurücknahme von bereits registrierten Asylbewerbern – sie will keine pauschale Abweisung an der Grenze, wie ihr CSU-Innenminister Horst Seehofer. Das würde nur dazu führen, dass Europa immer weiter zersplittere und das Schengen-Abkommen – ein Europa ohne Grenzkontrollen – ausgehöhlt werde, heißt es im Kanzleramt laut FAS.

Mehr Außengrenzschutz ist kein Problem

Eines vorweg: Einig sind sich alle EU-Staaten darin, dass die Außengrenzen der Europäischen Union besser geschützt werden sollen. Mehr Geld für die Grenzschutzagentur Frontex, ausgebaute Grenzpatrouillen: Darauf können sich die europäischen Regierungen einigen. Uneins sind sich die Länder dagegen im Hinblick auf die Solidarität innerhalb der EU: Wohin mit den Flüchtlingen, die schon da sind? Wie soll eine Reform des Asylrechts gelingen? Fragen, die schon fünf Ratspräsidentschaften nicht erfolgreich klären konnten.

An der umstrittenen Ausgangslage hat sich seit Jahren nichts geändert. Noch immer gilt das Dublin-System: Der Mitgliedsstaat, in dem ein Flüchtling zum ersten Mal EU-Boden betritt, ist für das Asylverfahren zuständig. Und so sind es in erster Linie die Südstaaten Griechenland, Italien und Spanien, welche die Hauptlasten zu tragen haben. Die Regierungen dort fühlen sich seit Langem im Stich gelassen von den anderen EU-Mitgliedsstaaten.

Ein Blick in die Zahlen bestätigt das. Im Spätsommer 2015, als die Flüchtlingskrise akut war, hatten die EU-Innenminister entschieden, mehrere Zehntausend Flüchtlinge aus Italien und Griechenland in andere EU-Staaten umzusiedeln. Die Mehrheitsentscheidung war extrem umstritten; Länder wie Ungarn und die Slowakei sträubten sich vehement dagegen. Wie weit die europäische Solidarität inzwischen reicht, zeigen aktuelle Daten: Ungarn und Polen haben seit Einführung des Schlüssels im Jahr 2015 keinen einzigen Flüchtling aufgenommen – dafür hat sie bereits der Europäische Gerichtshof gescholten. Tschechien hat genau zwölf und die Slowakei 16 Flüchtlinge übernommen. Deutschland dagegen mehr als 10.700.