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Gürtelschläge gegen Israeli in Berlin "Angriff auf die Demokratie"

In Berlin ist ein Israeli auf offener Straße mit einem Gürtel geschlagen worden. Der Antisemitismusbeauftragte der jüdischen Gemeinde in der Hauptstadt verurteilt den Angriff scharf.

Der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde Berlin hat den Angriff auf einen Israeli im Stadtteil Prenzlauer Berg scharf verurteilt. "Es macht einen wütend, weil solche Vorfälle wieder und immer wieder passieren", sagte Sigmount Königsberg dem SPIEGEL. Es handele sich um einen "Angriff auf die Demokratie", der Täter stelle sich "außerhalb der Rechtsordnung".

Ein Video zeigt, wie ein junger Mann sich darüber aufregt, dass er gefilmt wird und mit einem Gürtel nach dem Filmenden schlägt. Dabei ruft der Täter mehrmals "Yahudi", was auf Arabisch Jude bedeutet. Das Video zeigt nur einen Ausschnitt der Konfrontation, was genau sich vor den Schlägen abspielte, ist unklar.

Wie die Polizei mitteilte, waren ein 21-jähriger Israeli und sein 24 Jahre alter deutscher Begleiter, die eine Kippa trugen, am Dienstagabend in Prenzlauer Berg unterwegs, als drei Männer die beiden zunächst beleidigten. Einer aus der Gruppe nahm dann einen Gürtel und fing an, auf den 21-Jährigen einzuschlagen.

Der Betroffene sagte dem israelischen Fernsehen, er sei mit seinem Begleiter "ganz normal auf der Straße gegangen - wir haben mit niemandem gesprochen". Dann hätten drei Männer plötzlich angefangen, sie zu beschimpfen. Erst hätten sie dies ignoriert, aber als die Beschimpfungen weitergingen, habe sein Bekannter sie aufgefordert, damit aufzuhören. "Dann wurden sie sauer, einer von ihnen rannte auf mich zu."

"Gefahr in der ganzen Stadt"

Nach den Schlägen entfernte sich die Gruppe um den Angreifer schließlich. Eines der beiden Opfer wollte die Gruppe laut Polizei noch verfolgen, sei dann aber mit einer Glasflasche angegriffen, jedoch nicht getroffen worden.

"Der Angreifer lehnt die Werte unseres Landes ab, indem er Menschen, die als Juden erkennbar sind, tätlich angreift", sagte Königsberg. Er forderte klare Maßnahmen von Justiz und Politik. "Eine demokratische Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn man sich gegenseitig respektiert und achtet. Die Politik muss dafür Sorge tragen, dass diese Rahmenbedingungen erfüllt sind", so der Antisemitismusbeauftragte.

Er könne keinem empfehlen, offen mit einer Kippa herumzulaufen, sagte Königsberg. Dieser jüngste Vorfall zeige erneut, dass er mit dieser Einschätzung recht habe. "Ich würde mich ja freuen, wenn ich mich irre."

Der Angriff ereignete sich im Stadtteil Prenzlauer Berg, der nicht als Problemviertel bekannt ist, unweit der großen Synagoge Rykestraße. Das zeige, so Königsberg, "eigentlich besteht die Gefahr in der ganzen Stadt."

"Kein Mensch wird als Antisemit geboren"

Auch der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, sieht angesichts des Vorfalls vor allem in Städten ein "Bedrohungspotenzial" für Juden. "Hier ist erneut eine rote Linie weit überschritten worden", sagte Schuster zu dem jüngsten Vorfall. Man könne aber nun nicht schließen, dass für Juden in Deutschland Gefahr für Leib und Leben bestehe.

Wichtig sei es jetzt, den Täter zu fassen und herauszufinden, was ihn antisemitisch geprägt habe - und nicht nur einfach zu schauen, ob er "eventuell muslimisch oder nicht-muslimisch" sei. Schuster betonte: "Kein Mensch wird als Antisemit geboren."

Benjamin Fischer, Sprecher des European Jewish Congress, spricht von einer "neuen Intensität von antisemitischen Vorfällen". Meistens seien junge Menschen die Opfer solcher Übergriffe, sagte der dem SPIEGEL. "Auf den Berliner Schulhöfen, auf denen ich unterwegs war, wurde Jude nur als Schimpfwort benutzt."

Fischer kritisiert auch, dass über das Thema meist nur dann gesprochen werde, wenn es einen neuen Fall von Antisemitismus gebe. "Juden kommen nur zu Wort, wenn es um diese Opferrolle geht, werden nur dann wahrgenommen und werden dadurch auf eine gewisse Weise darauf reduziert", sagte er. Jüdisches Gemeindeleben gehe jedoch weit darüber hinaus. "Das zeugt von einer gewissen Empathielosigkeit der Gesellschaft."

Im Video: "Du Jude!" als Schimpfwort

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Die SPD-Politiker Justizministerin Katarina Barley und Außenminister Heiko Maasverurteilten den Vorfall in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe scharf. "Das ist eine Schande für unser Land", sagte Barley. Maas erklärte: "Wir tragen Verantwortung dafür, uns schützend vor jüdisches Leben zu stellen."

Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, der Angegriffene sei Jude. Das haben wir angepasst.

brü/dpa